Unser Garten: Mustergarten für Menschen mit und ohne Demenz

Eine kleine Weltreise mitten in Preetz

Rund 8000 Kilometer müsste man zurücklegen, wenn man zu Fuß von der Küste Norddeutschlands in die Prärien Amerikas wollte. Im Haus am Klostergarten sind es nur knapp 80 Meter – ein Spaziergang für unsere Bewohner*innen, eine kleine Weltreise mitten in Preetz.

Der an unserer Einrichtung angelegte Mustergarten hat eine Fläche von über 5.000 m². In der Arbeit mit unseren Bewohner*innen, speziell denen mit demenzieller Erkrankung, besitzt er eine besondere Bedeutung. Er ist Erlebnis- und Erfahrungszone, ein kleines Paradies für Spaziergänge und zum Verweilen, egal ob allein oder in Begleitung. Unsere Bewohner*innen erfreuen sich am Farbenspiel, den Gerüchen und der Formenvielfalt, teilen mit, was sie entdeckt haben oder schwelgen in Erinnerungen an ihren eigenen Garten und frühere Naturerlebnisse. Verschiedene Themenbeete und –bereiche entlang der gewundenen Wege laden sie ein, auf kleine Weltreisen zu gehen, zu entdecken, mit allen Sinnen einzutauchen und zu genießen.

Manch einer unserer Bewohner*innen hat im Strandkorb auf dem ruhigen Strandbereich schon sein Mittagsschläfchen gehalten. Wer weiß, vielleicht träumt er oder sie dann gerade von früheren Urlauben am Meer. Andere genießen den Blick über den Garten, hinüber zum Kloster, wenn sie auf einer der zahlreichen Bänke pausieren.

Für Interessierte gibt es Anregungen durch die verschiedenen Themenbeete. Beim Teegartenbeet kommt man schnell ins Plauschen über alte Hausmittel: „Thymian haben wir bei Husten genommen“, andere erinnern sich: „Frauenmantel – das hilft bei Frauenleiden“ und manch einer ist von dem Wassertröpfchen, das so schön auf dem Frauenmantel perlt, fasziniert. Bei den Prärie- und Blütenduft-Beeten erfreuen sich unsere Bewohner*innen an der Fülle von Formen und Düften und kommen oft aus dem Staunen nicht heraus. Sie erkundigen sich, wo die eine oder andere Pflanze herkommt oder berichten, dass sie selbst so eine Rarität im Garten hatten. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden der Sozialen Betreuung und unserer Gartentherapeutin werden Pflanzen beim Haptik Beet erlebbar: „Wie fühlt sich ein Eselsohr oder die Fette Henne an?“ Ein ganzes Beet mit essbaren Blüten, Blättern und Wurzeln regt den Geschmackssinn an. Topinambur kennen Sie vielleicht schon, aber haben Sie schon mal eine Tagetes oder eine Raublattaster probiert? Nein? Dann kommen Sie uns doch mal besuchen, denn unser Garten ist auch für interessierte Bürger*innen geöffnet. Sie werden dann sicher verstehen, warum die Naschecken im Garten mit Erdbeeren, Himbeeren, Johannesbeeren und andrem Obst so beliebt sind.

Und es gibt noch mehr zu entdecken: Wurfspiele für die Sportlichen, Fühlkästen für die Feinsinnigen, Klangspiele für die Musischen und ein Kaninchengehege für die Tierliebhaber*innen unter unseren Bewohner*innen. Unser Garten ist eine eigene Lebenswelt, in der auch das Gedenken an die Verstorbenen seinen eigenen Bereich hat. Liebevoll bemalte Steine weisen auf eine Vielzahl individuell gelebter Leben hin.

Unsere Bewohner*innen werden auch angeregt, im Garten selbst aktiv zu werden. Zusammen mit unserer Gartentherapeutin werden Pflanzen vorgezogen und im Gewächshaus, in den unterfahrbaren Hochbeten und im Bauerngartenbereich ausgepflanzt. Durch den Aufforderungscharakter von Pflanzen wird im gartentherapeutischen Kontext der oder die zu Pflegende zum oder zur Pflegenden.

Die Idee dieses Mustergartens für Menschen mit und ohne Demenz entstand beim Kompetenzzentrum Demenz Schleswig-Holstein. Beflügelt von der Idee und den Möglichkeiten, die ein Garten als Lebensraum bietet, planten wir mit Unterstützung einer Gartentherapeutin die Gestaltung des knapp 5000 m² großen Areales. In das Gartenprojekt flossen auch Anregungen von Bewohner*innen, Angehörigen, Mitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen ein, die ihre Wünsche und Vorlieben in den dafür ausgehändigten Fragebögen äußerten. Aus dieser Gemeinschaft entstand vor vier Jahren das Gesamtkonzept “Der Garten als Lebenswelt – Ein Mustergarten für Menschen mit und ohne Demenz“. Aus Eigenmitteln und Spenden finanziert, konnte der erste Abschnitt des Gartens im August 2018 und der der zweite Teilabschnitt im September 2019 eröffnet werden. 2021 wurde der Fußtastpfad eingeweiht, der verschiedene Untergründe fühlbar macht. Wann waren die Füße zum letzten Mal im Sand oder fühlten Gras? Hier kommen Erinnerungen zum Vorschein. Viele Therapeut*innen nutzen gerne auch Haltestangen, um an der frischen Luft Übungen zu absolvieren. Darüber hinaus lädt der Garten im Sommer dazu ein, dort seinen Kaffee oder den leckeren Kuchen des Cafés zu genießen – allein oder mit der Familie und dem Besuch.